Karken – lebendiges Europa an der offenen Grenze

Karken verfügt über die beste Infrastruktur aller Dörfer auf dem Gebiet der Stadt Heinsberg und ist das einzige Quartier der Stadt, das direkt an die Niederlande angrenzt. Die Lage und der damit verbundene Grenzverkehr in beide Richtungen machen die Besonderheit des Dorfes aus.

Karken ist angeschlossen an den öffentlichen Nahverkehr Richtung Heinsberg, Erkelenz und Roermond. Mit Apotheke, Banken, Bäckern, Metzger, Discountern, Getränkemärkten, Pizzerien, Blumengeschäft, Hofladen- und Mühlenverkauf kann man sagen, dass der Handel in dem 3800 Seelen starken Quartier floriert. Auch die vielen Vereine und Einrichtungen wie die Bürgerhalle, 2004 durch ehrenamtliches Engagement der Vereine erbaut, die Grundschule, der Kindergarten und vier Arztpraxen bieten eine hohe Lebensqualität im Dorf. Und nicht zu vergessen, gleich drei von zehn Heinsberger Glücksplätzen finden Sie in Karken.

Grenzenlos

Wie gesagt, die Lage Karkens ist besonders. Ich erinnere mich noch gut, als wir regelmäßig rüberfuhren nach Posterholt zum Einkaufen. Mutter drückte uns dann das eine, zollfreie Päckchen Butter in die Hand, damit wir Kinder es legal über die Grenze schafften. Auch passierte es, dass ich auf den Feldwegen der grünen Grenze kontrolliert wurde, und wehe, ich hatte meinen Ausweis nicht dabei. Zum Glück kräht heute kein Hahn mehr danach.

In Zeiten wirtschaftlicher Not waren vor allem das Land und die grüne Grenze nahe der Wolfhager Mühle bis in die 1960er Jahre ein beliebtes Schmugglerparadies für größere Mengen Kaffee, Getreide oder Vieh. Heute ist die ehemalige Wassermühle, die mittlerweile unter Denkmalschutz steht, ein florierender Bauernhof – idyllisch neben einer alten Motte in den Rurauen gelegen, nur einen Steinwurf von der niederländischen Grenze bei Vlodrop entfernt.

Der limburgische Einfluss ist überall sichtbar. So ist das Wappen der ehemaligen Herren von Vlodrop mit seinen drei blauen Querbalken das heutige Wappen von Karken. Mehr noch: Die Hauptverkehrsader im Ort, die verkehrswichtige L 230, heißt Roermonder Straße. Sie ist die kürzeste Verbindung zwischen Heinsberg und dem nahen Roermond. – Und vor allem: So wie die Menschen des deutschen Grenzgebietes gerne zum Shoppen über die Grenze fahren, kaufen die Limburger gern in Deutschland und besuchen auch zahlreich Karkens Apotheke, Supermärkte, Bäckereifilialen, Fleischerei, Pizzerien und Tankstellen.

Im Niemandsland an der Grenze treffen wir auf einen Modellflugplatz an der Feldflur Vlodroper Oh (Neuhochdeutsch: Au oder Flussaue), der einzige im Stadtgebiet. Die liebevoll gepflegten Sportgeräte der Hobbymodellflieger  gleiten leicht dahin im grenzenlosen Luftraum zwischen Karken und Vlodrop und stehen irgendwie für das Lebensgefühl hier an der im vereinten Europa offenen Grenze. 

Einst mussten die Menschen sogar, wenn sie zum Gottesdienst wollten, fast bis Vlodrop laufen. Denn dort stand die gemeinsame Kirche der beiden Gemeinden, die zum Bistum Roermond gehörten.   Erst um 1561 bekam das Dorf an der Rur seine erste eigene Kirche, die 1776 durch einen Neubau ersetzt wurde. Der Turm dieses alten Gotteshauses steht noch heute auf dem Friedhof. Er ist Zeuge des schrecklichen Massakers von 1591. Spanische Söldner mordeten in der damaligen Kirche und bis heute heißt es im Volksmund, „et jeet dureen wie en Karke en de Kerk“. Auch das Kreuz an der Karker Mühle erinnert an dieses schreckliche Ereignis.

Karke, Kirke, Kerke

Kirche, Kapellen und Wegekreuze sind Merkmale des Dorfes. Heißt es deshalb Karken? Der Name stammt vom germanischen Wort Karke, Kirke, Kerke. Doch das bedeutet nicht Kirche, sondern Rundhügel. Wo bitte ist in Karken ein Rundhügel? Karken ist eben und bietet gerade deshalb den grenzenlosen Weitblick. Es gibt allerdings zwei Motten jeweils am Rande des Dorfes: der Huegeberg und der Bolleberg (nahe der Wolfhager Mühle), aber auch sie sind heute nur noch kaum als Hügel erkennbar. Auf dem Huegeberg unweit des Friedhofs stand zur Zeit der Herren von Kerreke die Aldeburg, ein Bau wahrscheinlich aus Lehm, Palisaden und Fachwerk. Der Rundhügel soll um 1840 noch etwa zwei Fußballfelder groß gewesen sein. Er wurde beackert, dann aber im Laufe der Jahrzehnte abgetragen, da man die Erde zum Bau von Ziegelöfen und zur Trockenlegung der Karkener Au nutzte. Der heute größere Bollberg an der Wolfhager Mühle gehörte wahrscheinlich zur Landwehr, aber auch er wurde abgetragen.

Gewiss jedoch ist, dass auf diesem Fleckchen Erde schon in prähistorischer Zeit Menschen lebten. Steinzeitliche und eisenzeitliche Fundstücke zeugen davon. Ende des 12. Jahrhunderts sind erstmals die Herren von Kerreke urkundlich belegt.

Der Rabau, Boskop und Karnevalsjekk  

Karken ist auch bekannt für sein Obst, in jüngster Zeit besonders für die Tafeltrauben. Noch bis vor kurzem feierten die Einwohner alljährlich ihr Erdbeerfest. In früheren Jahrzehnten wurden insbesondere Kirschen, Pflaumen, Äpfel, Birnen, Stachel- und Johannesbeeren angebaut. Eine der alten winterharten Apfelsorten, die nur noch vereinzelt zu finden ist, trägt den Namen Rabau. Es ist ein unscheinbarer, aber gehaltvoller Apfel, der einem Boskop ähnelt – und den Karkener Jekken, den Rabaue, ihren Namen gab.

Denkmale

Auch denkmalgeschützte Gebäude gibt es im Quartier, neben der Wolfhager Mühle und dem Kirchturm auf dem Friedhof auch noch Wohnhäuser auf dem Tichelkamp 19, der Roermonder Straße 128 und End 91, alle aus dem für die Region typischen Backstein erbaut. „Unser denkmalgeschütztes Haus ist besonders, weil es Anfang der 1920er Jahre von dem praktischen Arzt Dr. med. Heinrich Hüsch an der heutigen Roermonder Straße als Landarztpraxis errichtet wurde. Davon zeugt u.a. heute noch die Fenstergalerie im Obergeschoss mit Motiven aus dem Leben eines Landarztes, entworfen von einem renommierten Kölner Glasmaler“, erklärt der heutige Besitzer.

Von Backes und Bunkern

Besonders ist das Quartier nicht zuletzt wegen der Verbindung der engmaschigen Radwegenetze beiderseits der Grenze. Grenzüberschreitend ist auch die abwechslungsreiche Wanderroute entlang der Rur, durch das Wäldchen auf niederländischer Seite, am Vennchen vorbei über Panthaag durch die Woom-Auen, über Werlo, Mühlenbruch wieder zur Rur. Schöne Wander- und Fahrradrouten gibt es auch in Karken selbst. Sie führen vorbei an dem Heiligenhäuschen, das zu früherer Zeit ein niedriger Backsteinbau in Form eines Backhauses (Backes) war, dem Kapellchen am Wöbel, einst ein Bunker, und dem Naturdenkmal Adams-Linde. Diese heute mächtige Linde pflanzte der Müller der Wolfhager Mühle 1895 anlässlich der Geburt seines Stammhalters Adam. Von der Bank dort schweift der Blick bis in die Rurauen und nach Vlodrop.

Anekdoten

Zum Heiligenhäuschen gibt es noch etwas zu erzählen, oder eher zum Erzengel Michael? Denn er hält den Karkenern auf mysteriöse Weise bis heute die Treue. Das Heiligenhäuschen, wie Sie es heute besuchen können, wurde erst an Pfingsten 1959 eingeweiht. Noch 1850 stand an gleicher Stelle das alte Heiligenhäuschen, ein niedriger Backsteinbau, eben in Form eines Backes. Darin befand sich schon damals die heute denkmalgeschützte Statue des hl. Erzengels Michael.

Die Bewohner eines Wirtshauses auf dem Hingen übten lange die Wartung und ein Patronatsrecht über das Heiligenhäuschen aus. Als sie Ziegelsteine für einen neuen Bierkeller brauchten, rissen sie das Häuschen einfach ab. So verschwand nicht nur das Heiligenhäuschen, sondern auch die Statue des hl. Erzengels Michael. Als Jahre später ein Haus auf dem Hingen abgebrochen werden sollte, fand man ihn dort auf dem Dachboden. Für einen Spottpreis wurde er verkauft und gelangte später, wie auch immer, in die Hände des Pfarrers Hencken. Er ließ den lang verschwundenen Erzengel restaurieren, und 1901 wurde er in der Turmhalle der neuen Kirche aufgestellt.
An der Stelle des alten Heiligenhäuschens wurde in den 1920er-Jahren ein Holzkreuz errichtet. Nach dem zweiten Weltkrieg besannen sich die Katholiken vom Hingen und Winkel auf das Heiligenhäuschen und beschlossen, an gleicher Stelle ein neues Kapellchen zu bauen. An Pfingsten 1959 weihte Pfarrer Dr. Vitus es ein. Die Statue des hl. Erzengels Michael aber holte man zurück, und so wacht er bis heute treu über das Wohl und Weh von Karken.  

Dunkles Kapitel

Doch Karken hat auch eine dunkle Seite, die zurückgeht auf das Jahr 1918, als das Dorf wegen eines Doppelmordes in die Schlagzeilen geriet. Die 19-jährige Katharina H. erstach den damaligen Pfarrer Theodor Fischer und seine Haushälterin im Pfarrhaus. Das Motiv blieb letztlich unklar. Auch die Gefängnisbriefe der verurteilten Mörderin geben wenig Aufschluss über dieses dunkle Kapitel in der Geschichte Karkens.

Umso bemerkenswerter, dass das Quartier gleich zwei Bürgermeister beheimatet, den ehemaligen Wolfgang Dieder und den amtierenden, Kai Louis. Wie gesagt: Karken,  das Dorf an der Grenze, die längst keine mehr ist, ist schon besonders.      

Ereignisse

Seit vielen Jahren findet, immer am 23. Dezember, das Weihnachtssingen zusammen mit dem Quartettverein statt: Am Abend vor Heiligabend trifft sich nahezu das gesamte Dorf zum Weihnachtssingen in der Kirche. Anschließen geht es zum alten Markt an der Roermonder Straße, wo in weihnachtlicher Stimmung traditionell gemeinsam Weihnachtslieder gesungen werden. Bei Glühwein und Kakao klingt der Abend in entspannter Stimmung aus, nicht ohne sich unter Nachbarn und Freunden ein Frohe Fest gewünscht zu haben.

Spezialitäten

Schweinefleisch vom Duroc Schwein

Tafeltrauben aus dem Gewächshaus

Erdbeeren

Sehenswürdigkeiten

  • Wolfhager Mühle
  • Turm der alten kath. Kirche auf dem Friedhof mit Friedhofskapelle (geöffnet April – Oktober)
  • Pfarrkirche St. Severinus
  • Motte Huegeberg
  • Motte Bollberg
  • Kapellchen am Wöbel
  • Heiligenhäuschen
  • Muttergotteskapellchen
  • Naturdenkmal Adams-Linde
  • Steilwehr an der Rur mit Steg Richtung Ophoven
  • Karker Mühle

Wanderrouten

  • Karkener Kapellen und Wegekreuze (16 km)
  • Motten, Mühlen und Sakrales (9,5 und 6 km)
  • entlang der Rur, auf niederländischer Seite durch das Wäldchen, am Vennchen vorbei über Panthaag durch die Woom-Auen, über Werlo, Mühlenbruch wieder zur Rur

Radrouten

  • Glücksplatzroute Heinsberg beginnt in Karken (42 km)
  • entlang der Karkener Kapellen und Wegekreuze (16) km)
  • Motten, Mühlen und Sakrales (15 km)

Die Rad- und Wanderrouten finden Sie unter www.westzipfel-interaktiv.de

Rastplätze

  • Adams-Linde mit Blick auf die Rurauen
  • Steilwehr an der Rur mit Steg, auf Karkener Seite Unterstand, auf Ophovener Seite Rastplatz und Knotenpunkt Nr. 23
  • Kapellchen am Wöbel
  • Kapelle Heiligenhäuschen (früher Kapelle Hingen)
  • Muttergotteskapellchen (Hirtstraße)
  • Himmelskreuz (Karkener Straße)
  • Panthaagkreuz (Hickeswinkel)
  • Motte Huegeberg (Im Brühl)

Kinderspielplätze

  • Am Woom (vor dem Sportplatz)
  • Holzgraben (hinter der Grundschule)

Nachbarn

  • Posterholt
  • Vlodrop
  • Kempen
  • Kirchhoven
  • Vinn
  • Haaren
  • Ophoven
  • Steinkirchen
  • Effeld

Sport und Freizeit

  • Angeln
  • Fußball
  • Tennis
  • Turnen
  • Tischtennis
  • Biken
  • Joggen
  • Nordic-walking
  • Inlineskaten
  • Modellflug
  • Tanzen
  • Tennis
  • Musizieren
  • Singen  

Quellen

Heinz Frenken, Kurt Heinrichs, Rolf Matzutt, Buch von Mathias Helmgens „Die Geschichte der Zivil- und Kirchengemeinde Karken“, erschienen 1970/71.

Fotos: Renate Matzutt, Rolf Matzutt, Hans-Georg Minkenberg, Michael Jungen